Ira

16.02.2020

Ira entlief ihren ehemaligen Besitzern am 14.12.2019 in Liptingen leider schon nach 2 Stunden.

Zunächst übernahmen wir die Erstberatung und gaben den Fall dann aufgrund der Entfernung an die Tierrettung Südbaden ab.

Am 06.01.2020 bat uns die Tierrettung darum, den Fall aufgrund unvorhergesehener, stark verzögernder Komplikationen bei Ira wieder zu betreuen. Die Süße durchkreuzte nämlich lange Zeit sämtliche gängigen Maßnahmen und Pläne.

Ira hatte sich auch mittlerweile nach mehrenen Hetzjagden von Tuttlingen über Schura, Durchhausen und Gunningen, im 18 km entfernten Seitingen Oberflacht niedergelassen.

Am 07.01.2020 trafen wir uns mit den ehemaligen Besitzern vor Ort, um uns einen Überblick zu verschaffen. Nun kamen dankenswerterweise noch Daniele Bennici und Adriano House Zanotti aus der Schweiz mit ins Spiel.

Beide hatten bereits die Tierrettung fast von Anfang an begleitet und da sie mittlerweile voll im Bilde waren und viele Gewohnheiten von Ira kannten, beschlossen wir gemeinsam die Zusammenarbeit mit ihnen fortzusetzen.

Was wir alle noch nicht wussten: Wir würden noch viele Hürden zu überwinden haben und wir würden auch dann und wann an unsere körperlichen und emotionalen Grenzen stoßen.

Ira hatte mittlerweile ihr Gebiet in besagtem Dorf abgesteckt und man konnte die Uhr nach ihr stellen.

Sie hatte rührende Freundschaften zu mehreren Hunden geknüpft und unter ihnen gab es eine ganz enge Freundschaft zu einem jungen Hund im Dorf, welcher auf einem kleinen Hof lebt. Sie besuchte diesen Hund täglich auf dem Hof. Es schien so etwas wie echte Liebe und Zuneigung zwischen den beiden zu sein. Herzallerliebst!

Man muss wissen, dass Ira wirklich sehr liebenswert, aber auch sehr speziell ist. Sie ist unseres Erachtens einerseits ein sehr intelligenter Hund und andererseits unglaublich feinfühlig. Sie nahm jede noch so kleine Veränderung in ihrem Umfeld sofort wahr und blockierte dann alle Maßnahmen komplett und vollkommen.

Wir beschlossen also alle gemeinsam alles erstmal runterzufahren und sie zur Ruhe kommen zu lassen.

Wir wollten Ira erstmal fest anfüttern und ihre Unsicherheit in eine gewisse Sicherheit lenken.

Und so vergingen die Tage und als wir merkten, dass sie täglich mehrmals auf den Hof kam, haben wir uns entschieden unseren Fangzwinger in die Garage auf dem Hof zu integrieren.

Wir hofften, dass dies keine zu große Veränderung für Ira sein würde. Diese Rechnung haben wir leider ohne sie gemacht und noch bevor wir abbauen konnten, erlebten wir nun die erste menschliche Hürde, während der ganzen Sicherung.

Die Besitzer des Grundstücks waren plötzlich nicht mehr bereit, uns bei der Sicherung zu unterstützen, weil ihnen bereits die Maßnahmen nach 1 Wochenende mit uns zu lange dauerten und somit sollten wir alles bereits am nächsten Tag abbauen. Da die Tierrettung bereits zuvor bei ihnen versuchte, Ira via Lebendfalle zu sichern, waren sie nicht länger bereit, uns ihr Grundstück zur Verfügung zu stellen.

Was wir da noch nicht ahnten ist, dass wir in dieser Nacht tatenlos auf den Kameras zusehen müssen, wie man Ira versuchte mit Bauzäunen und Netzen zu fangen, schließlich war es privater Grund und Boden und wir waren in diesem Moment einfach machtlos.

Dass dies nicht funktionieren würde, war uns allen klar und wir hatten in dem Moment große Angst, dass sie abwandern würde.

Nachdem die Aktion selbstverständlich misslungen war, durften wir am nächsten Tag unser Equipment abbauen und zogen sehr bedrückt von dannen.

Alle waren am Boden zerstört. Was nun? Würde sie bleiben? Hatte sie sich bei der Aktion verletzt? War sie nun noch ängstlicher? Fragen über Fragen, bis plötzlich am Abend das Telefon klingelte…..

Am anderen Ende der Leitung meldete sich eine ganz liebe Frau. Sie teilte uns mit , dass Ira noch im Dorf sei und am Abend, wie viele andere Abende zuvor auch, zu ihr in den Garten kam um dort zu fressen.

Die liebe Frau füttert dort Vögel und Katzen und Ira schaute immer vorbei, um zu gucken, ob noch was übrig geblieben war.

Endlich wieder ein Lichtblick seit langem!

Am nächsten Tag fuhren wir dorthin und “ checkten“ die Lage und lernten die wirklich sehr liebenswerten dort Menschen kennen.

Wir beschlossen, Livecams zu installieren um das Verhalten von Ira wieder neu zu studieren.

Abends machte es dann „BING“ und wer war dort zu sehen? IRA …. ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie erleichtert wir waren.

Somit begann am 15.01.2020 alles von vorn.

Wie es der Zufall so wollte hat die Familie ein Außengehege für ihre Katze. Es war quasi wie ein angebauter Zwinger und so kam uns die Idee, Ira mit Hilfe der Familie dort reinzuleiten.

Naja, die Rechnung haben wir mal wieder ohne Ira gemacht, denn auch das bedeutete wieder eine Veränderung für sie.

Das Futter war nicht mehr an dem Platz wie all die Tage zuvor. Die Tür stand offen, welche doch aber vorher immer zu war. Man konnte wirklich erkennen, dass sie sich dachte:“ Mit mir so nicht!“

Und bevor sie auch nur einen Schritt in Richtung Außengehege machen würde, würden Weihnachten und Ostern auf einen Tag fallen.

Also passten wir uns wieder ihrem Tempo an und tüffelten insgeheim gefühlt an Plan Y .

Plan Z war unser letzter Plan und dieser wäre eine
Distanznarkose gewesen.

Genau das wollten wir ihr aber ersparen. Hinzu kam aber auch, dass sowas gut durchdacht und geplant sein muss und das bei einer Hündin, die jegliche Veränderung wahrnimmt.

Zurück zu Plan Y. Bis dieser jedoch umgesetzt werden konnte sollten noch viele,viele Tage mit weiteren Hürden vergehen.

Wir hatten großes Glück, dass wir uns auf so eine wundervolle Familie vor Ort blind verlassen konnten.

Sie haben für uns die Cams geladen und Ira jeden Abend gefüttert, so mussten wir nicht jeden Tag dorthin reisen, denn es war wie für Daniele und Adriano wie auch für uns immer über 1 Stunde Anfahrt.

Wir wussten, dass wir keine Lebendfalle stellen konnten denn durch unsere Beobachtungen wussten wir, dass Ira ein ganz großes Problem hatte durch etwas hindurch gehen zu müssen.

Mittlerweile wurden leider einige Anwohner im Dorf unruhig, da man dachte, dass sich keiner mehr um die Sicherung der „angsteinflößenden, schwarzen Hündin“ kümmern würde.

Somit klingelte eines Tages das Telefon und der Bürgermeister von Seitingen war am Telefon.

Im übrigen ein sehr netter Mann. Dem schilderten wir die Situation und den aktuellen Stand der Dinge und alles war gut.

Gott sei Dank wohlgemerkt, denn die Angst, dass man eventuell das Veterinäramt einschalten wollte, war in dem Moment einfach gegeben.

Am 27.01.2020 entschieden wir dann, dass wir anfangen unseren Fangzwinger nach und nach um Iras Futterplatz zu bauen. Zunächst stand der Fangzwinger als U auf dem Platz.

Es war also wieder die gefürchtete Veränderung, aber mittlerweile wussten wir, dass sie nach spätestens 2 Tagen wieder da sein würde, so gut hatten wir sie mittlerweile „studiert“.

Am 01.02.2020 erweiterten wir den Fangzwinger um weitere 2 Elemente und warteten wieder. Ira ließ nun nicht mehr so lang auf sich warten, holte sie sich glücklicherweise ihr leckeres Essen ab.

Sie wurde nämlich jetzt gebarft, Nassfutter und Hähnchen kann ja schließlich jeder. Für sie gab es von nun an Rouladen, Gulasch, Hack, Fischstäbchen und ihre heißgeliebten Makrelen, es fehlte ihr also an nichts, was man ihr auch wirklich ansah und sieht.

Leider kündigte sich in den nächsten Tagen dann immer wieder Schnee an und Ira kam nur kurz vorbei und nahm das Essen mit, was sie durch den ganzen Schnee noch gerade so entdeckte und ging.

Jetzt fragen sich sicherlich viele:“ Wie kann das sein? Sie riecht doch, dass dort Essen liegt „.

Ja, aber sie sah es nicht und Ira war ein Phänomen. Sie ging bei Schnee nie in den Fangzwinger hinein, weil sie das Essen aus sicherer Entfernung nicht sah.

Nun kam es am 11.02.2020 wie es kommen musste und die nächste Hürde stand bevor. Die wunderbare „Sabine“ kündigte sich an, gepaart mit Schnee war das ein krasser Rückschlag für uns alle.

Ira ließ sich zwar blicken, war aber sehr verunsichert und der Plan, die Fallentür zu integrieren, wurde nun zerschlagen …

Dankeschön Sabine!

Leider wurde Daniele zu allem Überfluss in der Zeit krank und wir brauchten wirklich jede Hand, denn jeder hatte während der langen Zeit der Sicherung seinen Part übernommen, dies war natürlich wieder ein Hürde, denn er musste erstmal wieder gesund werden.

Wir verfolgten indes den Wetterbericht und die bald bevorstehenden Umzüge der Fasnet und die in diesem Zuge stattfindenden Feiern in der Dorfhalle bereiteten uns große Sorgen.

Der endgültige „Zugriff “ war nun für den 16.02.2020 geplant. Und wieder hatten wir die Rechnung ohne den Wetterbericht gemacht. Ein weiterer Sturm war gemeldet und wir haben alle gemeinsam entschieden, dass wir nicht mit der Fallentür arbeiten werden, sondern mit der ganz normalen Zwingertür ohne Fallenauslöser. Wir entschlossen uns per Auslöser von Hand. Wir wollten dem ganzen endlich ein Ende setzen, denn man darf nicht vergessen, dass wir nach der langen Zeit total am Stock gegangen sind. Man schläft kaum und wenn dann sehr unruhig, denn man überwacht die Kameras, oft musste man Katzen verscheuchen damit diese das Futter nicht fraßen und und und…
und all das findet parallel zum normalen Leben mit Job, Familie, eigenen Tieren usw statt.

Sooo wie war jetzt nochmals der Plan?

Wir testeten etwas mit einem Seil und wir waren uns sicher, es würde klappen. Blindes Vertrauen herrschte unter allen und so trudelten wir am Abend des 16.02.2020 in Seitingen ein.

Daniele und Adriano bezogen Stellung im Auto und Jenny im Hause der Familie, bei der sich alles abspielte. Nun war warten angesagt. Um 20:30 Uhr tauchte Ira das erste Mal auf.

Ira kam jeden Abend 3 Mal. Ihre üblichen Zeiten waren zwischen 22-23 Uhr, zwischen 1-3 Uhr und zwischen 4-5 Uhr.

Wir waren also sehr erstaunt , dass sie so früh auftauchte. Aber nun wussten wir , sie würde spätestens 22/23 Uhr wieder auftauchen und dann würde es heißen:“ alles oder nichts „.

Um 22:40 Uhr löste die Kamera Alarm aus und nun stand sie da und machte das, was sie immer machte.

Sie schaute in den Zwinger, sie lief um den Zwinger, sie lief kurz über die Schwelle zum Zwinger, lief wieder raus, dann wieder rein (noch nicht weit genug), lief wieder raus und nahm all ihren Mut zusammen und lief zu dem wunderschönen, unübersehbaren dicken Futterhaufen?.

Ihr könnt euch nicht vorstellen was wir in diesen Minuten alles durchlebt haben. Das Herz rutschte nicht in die Hose, es sprang wohl eher am Hals oben raus.

Wir hatten uns vorher besprochen wann der richtige Zeitpunkt ist und was jeder von uns machen würde. Rrrrrrrruuuuuummmmmsss, Daniele zog zu, Adriano rannte los, Jenny rannte aus dem Haus und sicherte die Zwingertür ab.

Um 23:02 Uhr war der Spuk endlich vorbei. Nach über neun Wochen wurde Ira endlich gesichert.

Auch heute nach ein paar Tagen können wir es noch immer nicht so richtig glauben…

Ira war eine sehr große Herausforderung. Oft sind wir an unsere Grenzen gestoßen aber Aufgeben war nie eine Option. Wir mussten oft umdenken, offen sein für Neues und meeeegaaa anpassungsfähig sein.

Ende gut, alles gut!

Ira wurde Nachts zu ihrer Pflegestelle gebracht, wo sie wohl, so wie es aussieht, ein Zuhause für immer finden wird.

An dieser Stelle möchten wir Danke sagen.

Danke an Daniele Bennici und Adriano House Zanotti für euer Vertrauen, für euren unermüdlichen Einsatz zu jeder Tages und Nachtzeit, für diese wirklich tolle Zusammenarbeit welche wir mit euch immer wieder starten würden! Wir waren ein tolles Team!!!!

Ein ganz besonderer Dank an Familie Bippus. Dank ihrer Mithilfe und Bereitstellung des Gartens über Wochen, laden der Cams, rausstellen des Futters, Hilfe beim Umsetzen unserer Ideen war es möglich, Ira all die Zeit der Welt geben zu können, um sie behutsam sichern zu können.

Danke an die Tierrettung, welche den Fall anfänglich übernommen hat.

Danke an alle Sichter, Melder und Teiler, ohne euch wäre vieles nicht möglich gewesen!

Danke an die Bürger aus Seitingen-Oberflacht für die Geduld.

Danke an den Bürgermeister Herrn Buhl für seinen Rückhalt.

Danke an alle Jäger aus Seitingen-Oberflacht, Gunningen und Durchhausen für gemeldete Sichtungen im Wald.

Danke an die Orga und Pflegstelle für das entgegengebrachte Vertrauen.

…..WIR haben FERTIG!

Euer HEBW-Team in Zusammenarbeit mit Daniele und Adriano